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Geküsst von der Muse - Evy auf der September-Bühne

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Hallo!

Nach zwei Monaten Sommerpause startete die Offene Bühne in eine neue Session und ich war dabei! Meinen Bericht zur Veranstaltung findet ihr hier. Infos zur Offenen Bühne gibt es im ersten Beitrag.




Ich habe mich entschieden, die Gedichte in den Beitrag zu packen. Und da Dinge länger im Kopf bleiben, wenn man sie NICHT fotografiert, gibt es diesmal keine Bilder von meinem Körper, sondern meiner Kunst :P



Vorgeplänkel


Der Auftritt war relativ spontan, aber lange geplant. Spontan, weil mich die Organisatoren einen Monat vorher gefragt hatten, ob ich nicht auftreten wolle. Geplant, weil ich schon vor der Sommerpause wusste, was ich bei meinem nächsten Auftritt tragen würde.

Outfit


Aufgrund einer Wette wollte ich ein Kleid zum Thema Muse tragen. Mein Plan, etwas zu nähen, scheiterte an meinen beschränkten Fähigkeiten und so stöberte ich drei Monate lang durch sämtliche Klamottenläden.

Grundgedanke war eine griechische Muse mit leichtem Gewand, locker und luftig. Mein Traumkleid war rosa mit einem Hauch Grau (also eher Alt-als Quietschrosa), um den Busen etwas bauschig, darunter eng und mit schwingendem Rock. Es sollte meine Oberweite betonen und mich nicht schwanger aussehen lassen :-)

In den Läden fanden sich erstaunlich viele rosa Teile, allerdings mit einem der folgenden Probleme:

  • Schulterfrei und/oder Babydoll: Da meine Schultern eher wie Bauklötzschen aussehen (mehr gerade als geschwungen), stehen mir Oberteile ohne Träger nur, wenn sie durch etwas anderes davon ablenken. Bei Kleidern sieht das meistens doof aus. Außerdem wollte ich eine Muse sein und kein Betthäschen :P Es ist schwierig, wenn Kleider nach dem Busen weit fließen und kurz über dem Po enden....
  • Vokuhila: Viele Designer der Ketten verstehen unter "asymetrischem Schnitt" vorne kurz und hinten lang. Ich fühle mich dann, als hinge mir ein Stückchen Klopapier im Bund. Und es zieht!
     
  •  Busen: Mein kleinen Freunde sind nicht massenkompatible. Die beiden sind zwar schön, aber ein bisschen zu breit und zu flach, sodass beim Dekoletee oft etwas absteht, gequetscht wird oder es zu luftig ist. Noch ein Grund, warum Schulterfreies selten geht.

Nach 10 Kleidern und ein paar Einheiten Gesichtsgymnastik ließ ich das Rosa fallen und besann mich eines Kleides, das ich vor ein paar Monaten gekauft habe. Es ist ein weißes Sommerkleid mit Spitze. Auf den ersten Blick erinnert es an eine Gardine, aber ich finde es sehr feenhaft! Der Stoff ist sehr leicht und es passt zu meinem Körper. Wie ich feststellen musste, war es kürzer als gedacht, es endet in der Mitte des Oberschenkels, und ist eine halbe Nummer zu klein. Doch nach ein paar Minuten habe ich mich sehr sicher gefühlt :-)

Eigentlich wollte ich eine hautfarbene Strumpfhose tragen, was bei herbstlichen Temperaturen nicht möglich war. Ich griff spontan zu einem taubenblauen Exemplar aus dickem Stoff, was übrraschend gut aussah. Das Ballerina-Dilemma (meine roten sind kaputt :-( ) löste ich mit einem grau-braunen Exemplar. Nicht die beste Wahl, weder für die Optik noch für meine Füße, aber mangels Feen im Bekanntenkreis das einzige, was gut aussah.

Die rot-orangene Strickjacke war eher eine Notlösung. Sie hat durch den asymetrischen Reißverschluss und den Kragen etwas Strenges. Ähnlich wie Schokosoße zu Fisch ergänzte sie das Kleid aber super und gab ihm eine sportliche Note. Es wirkt ein bisschen fashion-victim-mäßig :P

Mit den Haaren griff ich das Musethema wieder auf - ich kam in Locken (bei denen ich mir die Finger verbrannte...). Leider konnte ich mein Blumenhaarband nicht finden :-( Daher steckte ich die Ponypartie nach hinten und fixierte sie mit einer Haarblume, die ich mal bei Dawanda gekauft habe.

Beim Make-up griff ich auf Bewährtes zurück - blaue-grauer Lidschatten mit leichter Schattierung, leichter Lidstrich und rote Lippen. Immerhin ist das Rouge sehr dezent geworden *erfolgreich*

Insgesamt habe ich mich sehr wohl gefühlt und auch wenn es etwas kalt war, ging es ganz gut :-)

Die Texte


Die beiden Gedichte sind nach dem Jein-Slam entstanden, der im Rahmen der Landtagswahl stattfand. Es war mein erster Poety-Slam seit langem, was sich auf die Sprache ausgewirkt hat :-)

Euer Wir macht mich tot

Eurer Wir macht mich tot
ich seh mein Leben, ganz in Rot
blinkend vor Sorge liegt alle Not
schon am Morgen auf dem Frühstücksbrot.

Eurer Wir macht mich krank,
Das Müssen,
das Sollen,
das Können
und Wollen,
raubt mir Gefühl und auch Verstand.
euer Mainstream-Denken macht mir Angst.

Wir sind die Generation
Ahnungslos
wir gucken leider nicht genügend Pornos,
um dumm zu sein.
Unser Denken wird zu Pein.

Wir fühlen uns klein
und pusten uns auf, um groß zu sein.
Wir nutzen Wortneuschöpfungen,
weil unser Wortschatz nicht reicht,
zu sein wie die anderen, das wäre zu leicht.

Wir sind ein Problemhaufen,
wir malen uns an,
damit man uns nur
darauf reduzieren kann.

Euer Wir macht mich krank.
Sitz ich allein auf einer Bank,
mit all den Wünschen, all den Problemen,
die über mir hängen und daneben
starr ich alleine an die Himmelswand
nur ich auf einer Bank.

Euer Wir ist verkannt.
Ich sehe dich und dann mich an,
und den Trümmerhaufen mit den abgebrannten
Kerzen, all den Hoffnungen und Schmerzen
und ich weiß, dass das doch keiner kitten kann.

Euer Wir ist ein Anagramm
für Ich und Ich und Ich und Ich,
meine Wut,
meine Trauer,
meine Hoffnung
und Angst,
ich verehre mich selbst und fürchte das Nichts,
denn ohne euch erlischt mein Licht.

Euer Wir ist gemein,
wer soll ich denn sein?
Was soll ich wählen, fühlen, wie mag ich mein Frühstücksei
ohne eure Meinung?

Euer Wir hat nen Knall
und das gleich hoch 10
geballte Verzweiflung,
die vor mir steht.

Die einzige Entscheidung,
die nicht von euch ausgeht
ist der Fokus meiner Kamera.

Euer Wir bin nicht ich.
Wir sehen gleich aus,
wir haben Probleme, doch ich halte mich raus
Euer Wir ist zu groß, es schreit gern hinaus,
das euer Leben ist ein Graus.

Meins ist in Ordnung
und das liegt nich am Wir
sondern ganz allein, und ohne euch, bei mir.

Inhalt

Der Text ist ein Wutgedicht. Er ist entstanden, nachdem ich die x-te Version der x-ten Variation des extremen Problemes unserer Generation gehört hatte: Die Möglichkeiten. Die Entscheidungslosigkeit. Oder einfach: Das Gefühl, dass wir es ganz, ganz schwer haben (hatten die Generationen vor uns vermutlich auch).

Auch mich überfordern Möglichkeiten und sie machen mir Angst. Ich habe ständig Angst, etwas falsch zu machen. Aber ich begegne zunehmend Menschen, die sich entschieden haben, anstatt zu grübeln, und stelle fest: Viele Wege führen nach Rom. Möglichkeiten bedeuten nicht nur eine Einschränkung, sondern auch die Freiheit, den Kurs korrigieren zu können oder eine Tür nach draußen zu nehmen. Wir werden flexible, und das macht uns nicht machtlos gegenüber anderen, sondern ein Stückchen machtvoll gegenüber uns selbst.


Das größere Problem ist das Wir. Wer ist "wir"? Gehören wir zusammen, weil wir im selben Jahrzehnt geboren sind? Weil wir dieselben Zweifel haben (obwohl meine Zweifel definitiv schlimmer sind als die der anderen. Garantiert!)? Oder heißt "wir" einfach "Gruppenkuscheln in einer Kälteperiode, weil zusammen leiden immer noch besser ist als aufzustehen und ein Feuer zu machen"? Ein "wir" gibt es genausowenig wie ein "alle" - es gibt auf dieser Welt viele, viele Menschen. Aber es ist einfacher, sie in Gruppen einzuteilen. Die Sucht nach Einheitlichkeit ist zu groß - sie geht bis zum Frühstücksei.


Wie schnell sich das vermeintliche "wir" auflöst, merkt man, wenn man sich seine Probleme anguckt. Mich vom meinem Freund trennen muss ich alleine. Mit der Schuld klarkommen muss ich auch alleine. Und beim Aufstehen können mir zwar Freunde die Hand reichen, aber den Mut finden und es tun, das kann nur ich.


Wenn ich in mich hineinhöre, spüre ich, dass ich "wir" ungern benutze, es aber trotzdem mache. Weil ich Schuld verdrängen und mich vor anderen größer machen will. Wenn ich sage "Wir sind abgestumpfte Konsumiermaschinen", will ich eigentlich sagen "Viele Menschen, einschließlich mir, konsumieren gern und übermäßig viel. Aber ich kann nix dafür, Gruppenzwang und so." Und es hört sich cooler an als "Ich werfe abgelaufenene Lebensmittel weg, weil ich Angst vor Bakterien habe" Aber es fällt mir schwer, für andere Leute zu reden, wenn ich nur mich meine.

Traurig ist vor allem, dass wir mit dem "wir" von unseren Probleme ablenken. Es ist einfacher, über die Gesellschaft zu klagen, als über unsere Probleme zu reden. Greift man die Gesellschaft an, ist das, als werfe man mit Tomaten auf einen Riesen - sie kitzeln ihn, er schießt aber nicht zurück. Wenn wir Freunden unsere Probleme schenken und sie diese aus uns rausoperieren, tut es weh.

Gestaltung

Wie viele Gedichte lebt auch dieses von den Wiederholungen (Ist das gut oder schlecht?). Der Grundgedanke "Euer Wir macht mich tot" ist etwas radikal und soll provozieren. Gleichzeitig will ich das Gefühl ausdrücken, wie weh es tut, ständig damit konfrontiert zu werden. In der zweiten Strophe wird es mit dem pathetischen "Gefühl und auch Verstand" ein bisschen ironisch und zeigt, dass es tief geht. Das Mainstream-Denken als halben Anglizismus habe ich bewusst gewählt, weil "mainstream" DAS Synonym ist für "machen alle anderen, will ich aber nicht machen"

In der dritten Strophe mache ich mich zulasten eines guten Reimes über die Generation nach mir lustig, der nachgesagt wird, sie sei vom Pornogucken abgestumpft. Ich kenne nicht viele Leute aus dieser Gruppe, denke aber, dass sie im Bett eher verunsichert sind und ansonsten ziemlich klug :-)

Die vierte Strophe wird relativ kritisch: Ich rege mich über Menschen auf, die ihre Probleme zu stark in den Vordergrund rücken und/oder coole Neologismen nutzen. Das habe ich mit dem bewusst sperrigen "Wortneuschöpfungen" auf den Punkt gebracht. Ich mag solche Wörter, weil sie bildhaft sind und meistens Stichworte dieser Bewegung durch Vergleiche mit Alltäglichem auf den Boden der Tatsachen zurück holen und sagen "Kennen wir doch alle!" Ich habe aber oft das Gefühl, dass man damit seine Besonderheit unterstreicht, was das Problem nicht ändert.

Das Bild des Problemhaufens mag ich sehr, ich stelle mir das so ähnlich vor wie in den Bildern zu einer Montagsfrage: Alle Probleme und Fehler auf die Stirn schreiben, vielleicht mit blinkenden LED-Lichtern, damit man in der Gruppe bleibt und niemals zu positiv wird, um rauszufliegen. Irgendwann wird das langweilig. Und deprimierend.

In den folgenden Strophen wird es persönlich: Zuerst kommt das Alleinsein, dann das Zweisein bzw. Nicht-mehr-Zweisein, das man alleine bewältigen muss. Die Bank stelle ich mir in einem Park vor. Hat tatsächlich was Einsames.

Danach kommt das Anagramm zur Sprache, dem ich ein extra Gedicht gewidmet habe. Die Strophe verdeutlicht die Ich-Bezogenheit bzw. die Fixierung auf das Ich, das sich bewusst in der Masse auflöst, um nichtmehr mit seinen Problemen konfrontiert zu werden. Man nimmt sich selbst intensiv wahr, aber nur oberflächlich.

Diese Abneigung wird später auf die Spitze getrieben mit der fast gossenmäßigen Formulierung "hoch 10" Gleichzeitig distanziert sich das Lyrische Ich.

Das wird in den folgenden Strophen noch ausgeführt. Die Kamera war eher Zufall, denn es ist sehr schwer, etwas zu finden, was man ohne Einfluss anderer entscheidet. Ist vielleicht auch nicht notwendig?

Die Grundbotschaft am Ende, dass man selber entscheiden soll, ist etwas pathetisch, aber... naja :-)

Das Gedicht enthält schöne Bilder, hätte aber radikaler und kräftiger sein können. Die Konkretisierung vom Allgemeinen zum Ich gefällt mir, den Teil danach hätte ich verdichten können. Manche Reime sind schön glatt, andere holpern extrem :-) Ein Gedicht, das ich nicht so schnell vergesse :P


Das Anagramm

Sonne ist ein Anagramm von Regen
und ich bin nur ein Anagramm von dir.
Lieben ist ein Anagramm von hassen
und Mensch von Säugetier

Lust ist nur ein Anagramm von Schmerz
und in der Wahrheit liegt die Lüge
Frust ist nur ein Anagramm von Herz
in jedem Streben stecken Triebe.

Verzweiflung ist ein Anagramm von Stille,
Stille ist gleich Resignation,
Resignation meint eine bittere Pille
und Pillen killen Frustration.

Hoffnung ist ein Anagramm von tot
und gemeinsam ist allein,
Pralinen sind ein Anagramm von rosenrot
und verkriechen ein's von 'bei dir sein'

Sonne ist ein Anagramm von Regen,
und ich bin nur ein Anagramm von dir,
Wir beide sind ein Anagramm von Leben
und Leben ist ein Anagramm von Jetzt & Hier.

Inhalt

Ein Anagramm ist ein Wort, das aus einem anderen Wort entanden ist, indem man dessen Buchstaben anders anordnete (ein Schüttelwort). Berühmt geworden ist Julia Engelmanns Behauptung, dass Mut nur ein Anagramm von Glück sei (aus dem Slam-Text "Eines Tages, Baby"). Aus meiner Sicht setzt sie Mut und Glück gleich. Glück kann man als kurzfristig oder langfristig sehen. Es kann sein, dass das, was man als Glück wahrnimmt, als Erfolg, nur eine Form des Mutes ist, weil man etwas getan hat. Es kann aber auch sein, dass etwas gut ausgegangen ist, man also Glück hatte, und dachte, es ist der Mut. Die Frage ist: Muss man immer mutig sein, um glücklich zu sein? Oder sollte man das Leben laufen lassen, ohne den ständigen Druck, eingreifen zu müssen, und zu gucken, wohin einen das Glück führt? Soll man alles locker sehen?

Als ich das Gedicht schrieb, ging mir die übermäßige Verbreitung des Terms und die Vereinfachung komplizierter Sachverhalte auf den Keks. Deswegen habe ich das aufgegriffen und es ins Paradoxe überführt. Man kann zwischen den Begriffen tatsächlich einen Zusammenhang herstellen, meistens ist sie aber nicht logisch.

Außerdem habe ich der gesellschaftskritischen die private Ebene der Liebe entgegengesetzt. Denn wie in "Euer Wir macht mich tot" sollte man seinen eigenen Probleme lösen, weil die Gesellschaft einem dabei nicht hilft.

Wichtig war mir "Mensch von Säugetier", weil es banal klingt und genau das bewirken soll: Die Einsicht, dass wir nur Säugetiere sind und uns nicht so wichtig nehmen sollen. Bei den "Pralinen" habe ich lange gegrübelt, ich wollte ein einfacher Symbol für die Liebe haben. Aus meiner Sicht die romantischste und konkreteste Passage des Gedichtes.

Auch hier komme ich nicht richtig auf den Punkt, aber ich mag die träumerische Stimmung sehr. Irgendwie ist es doch ein Liebesgedicht :-)

Mein Auftritt


An die Schwere des Mikros habe ich mich gewöhnt, dafür scheiterte es an mir. Ich war nicht vorbereitet auf die Kraft, die gesellschaftskritische Gedichte habe. Ich bin langsam in die Dynamik reingekommen, habe mich aber nicht getraut Gas zu geben. Es ist einfacher, über seine Gefühle zu reden als über etwas, was alle betrifft. Immerhin habe ich ins Publikum geguckt und das Mikro geknutscht :P Und meine Ansprache war klasse :-)

Und mein Fanclub war da :P

Fazit


Optisch war ich gut, und relativ locker. Aber ich muss mutiger sein :-)



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